Samstag, 10. Januar 2009

Wettersatellit für die Hightech-Krieger

Wehe, wenn das GPS ausfällt: Der moderne Krieger von heute steht ohne Verbindung ins All auf verlorenem Posten. Ein neuer Satellit der US-Luftwaffe soll Soldaten vor diesem Horrorszenario bewahren - mit einer verblüffend präzisen Prognose des Weltraumwetters, das die Navigation zu oft stört. Das Wetter spielt seit jeher eine wichtige Rolle im Krieg, mitunter sogar die entscheidende: Wann ist der beste Zeitpunkt für einen Überraschungsangriff? In einer bewölkten Nacht? An einem nebligen Morgen? Wie steht die Sonne? Hat tagelanger Regen die Nachschubwege unpassierbar gemacht? SATELLIT "C/NOFS": SCHÖNWETTER IM WELTRAUM Fotostrecke starten: Klicken Sie auf ein Bild (5 Bilder)
Im modernen, GPS-geführten Krieg ist die Situation nicht anders. Bei dichtem Nebel landet es sich schlecht auf einem Flugzeugträger. Doch der Hightech-Soldat ist nicht nur von Regen, Wolken und Sonne abhängig, sondern auch vom Weltraumwetter. Störungen in der Ionosphäre können besonders folgenreich sein - in jener obersten Atmosphärenschicht ab hundert Kilometern Höhe, in der große Mengen von Elektronen und Ionen umherschwirren. Dann spielen GPS-Geräte verrückt, die Datenverbindungen via Satellit sind unterbrochen. Es ist das Worst-Case-Szenario in einem digital geführten Krieg. Mit dem im April gestarteten Satelliten "C/NOFS" ("Communication/Navigation Outage Forecasting System") will die US Air Force das Problem plötzlich auftretender Störungen in den Griff bekommen. Das Militär ist auf funktionierende Satellitenkommunikation angewiesen, etwa bei Einsätzen in weit entfernten Regionen ohne Infrastruktur. Auf dem Herbsttreffen der American Geophysical Union (AGU) haben Wissenschaftler der Air Force und Nasa nun erstmals Ergebnisse der halb militärischen, halb zivilen Mission vorgestellt. SONNE IN 3D: STEREOBILDER EINES STERNS Fotostrecke starten: Klicken Sie auf ein Bild (13 Bilder)
"Mit 'C/NOFS' haben wir erstmals die Möglichkeit, das Weltraumwetter vorherzusagen", sagt Donald Hunton vom Air Force Research Laboratory in Hanscom (Massachusetts). Odile de La Beaujardiere, die ebenfalls als Expertin für Weltraumwetter bei der Luftwaffe arbeitet, spricht davon, dass die ersten Monate des Satelliteneinsatzes einige Überraschungen brachten. So galt bislang die Faustregel, dass Störungen in der Ionosphäre unter anderem direkt mit dem elf Jahre dauernden Sonnenfleckenzyklus zusammenhängen. In besonders aktiven Phasen der Sonne sollten größere Störungen auftreten - doch diese Thesen werden nun in Zweifel gezogen. Atomen werden Elektronen entrissen "Wir befinden uns derzeit in einem Solarminimum", sagt La Beaujardiere, "aber die Ionosphäre ist trotzdem leicht störbar." Dies hätten die Beobachtungen mit "C/NOFS" gezeigt. Außerdem habe man beobachtet, dass Störungen nicht nur nach Sonnenuntergang auftreten, sondern auch gegen Mitternacht und am Morgen. Ursache der gefürchteten Störungen sind unter anderem Plasma-Instabilitäten und Schwankungen der Elektronendichte in der Ionosphäre. Wissenschaftler sprechen von Ionosphärenstürmen. Die Ionosphäre reicht von 100 bis etwa 2000 Kilometer Höhe und besteht aus Atomen und Molekülen, denen Elektronen entrissen wurden. Dieses ionisierte Gas wird auch Plasma genannt. Bei Störungen können die Funkwellen von Nachrichten- und GPS-Satelliten die Ionosphäre nur noch eingeschränkt oder gar nicht mehr passieren. Die beispielsweise nach Mitternacht entstandenen Plasmablasen hätten für Radiowellen eine ähnliche Wirkung wie Luftblasen in Glas für Licht, sagt La Beaujardiere SPIEGEL ONLINE. "Man kann kaum noch etwas erkennen." "Die Air Force ist definitiv interessiert" Die meisten Störungen treten erfahrungsgemäß an den Polen und am Äquator auf. Genau am Äquator befindet sich auch der Orbit des "C/NOFS"-Satelliten, der sich in Höhen zwischen 400 und 860 Kilometern bewegt. An Bord befinden sich diverse Instrumente, unter anderem ein Ionen-Geschwindigkeitsmesser und ein Gerät zur Bestimmung der Ionen-Dichte. Das Phänomen ungenauer oder ganz ausgefallener GPS-Navigation kennen Wissenschaftler schon länger. Im Jahr 2000, als der Solarzyklus ein Maximum erreichte, lagen die Ungenauigkeiten beispielsweise bei 60 Metern. GPS-Signale sind besonders betroffen, weil sie lange Wellenlängen nutzen. Die Störungen sind umso stärker, je länger die Wellenlänge ist.


Werden die Daten des Satelliten "C/NOFS" bereits bei Einsätzen des US-Militärs genutzt? Etwa, um den besten Zeitpunkt für Bombardements zu finden? Air-Force-Forscher Donald Hunton lässt dies offen. Er wolle dazu keine Details bekanntgeben, sagt er auf Anfrage von SPIEGEL ONLINE. Nur so viel: "Die Air Force ist definitiv interessiert."

Das Ziel der Forscher: eine Prognose des Weltraumwetters zwei bis fünf Tage im Voraus. Um dies zu erreichen, kombinieren sie Daten des Satelliten mit Messungen vom Boden aus. All diese Informationen füttern sie dann in ein Computersystem, das daraus Vorhersagen berechnen soll. "Wir sind gespannt, wie das in ein paar Jahren funktioniert", sagt Hunton.

quelle:spiegel.de


Keine Kommentare: